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Institut für #Demographie, #Allgemeinwohl und #Familie: Ohne Reformen steht der #Sozialstaat vor dem Aus
Sankt Augustin, 1. April 2024
Schlechte Nachrichten kommen selten allein. Am 20. März 2024 hat Bundesfinanzminister Christian Lindner, dem Bundeskabinett den »Sechsten Bericht zur Tragfähigkeit der Öffentlichen Finanzen« vorgelegt. Der von den Beamten des Bundesfinanzministeriums einmal pro Legislaturperiode erstellte Bericht enthält Informationen zur langfristigen Entwicklung öffentlicher Finanzen. Er soll den staatlichen Akteuren ermöglichen, negative Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, Maßnahmen zum Gegensteuern zu entwickeln sowie die #Einnahmenpolitik und #Ausgabenpolitik der Bundesrepublik #Deutschland rechtzeitig anzupassen.
Die wichtigsten Ergebnisse …
Trotz einer günstigeren demografischen Ausgangslage als noch im 5. Tragfähigkeitsbericht angenommen und einer durch Zuwanderung stabileren demografischen Entwicklung altert die Bevölkerung in Deutschland weiter. Zwar seien durch die hohe Nettozuwanderung der vergangenen Jahre die jüngeren Jahrgänge gestärkt worden. Bedingt durch den Austritt der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt werde dennoch bereits in den 2020er-Jahren der Rückgang der Bevölkerung im Erwerbsalter mit einem Anstieg der Bevölkerung im Ruhestand einhergehen.
Der Anteil der 67-Jährigen wird bis zum Jahr 2070 von heute knapp 20 Prozent auf 30 Prozent steigen wird. Anders formuliert: Befindet sich hierzulande heute jeder fünfte Bürger im Rentenalter wird dies 2070 auf beinah jeden Dritten zutreffen. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Denn wenn weniger Bürger erwerbstätig sind, sinken in Folge die Steuereinnahmen und das Beitragsvolumen der Sozialversicherungen. Da jedoch mehr Bürger Leistungen aus der Renten- und Pflegeversicherung erhalten, steigen zugleich die Ausgaben. Höhere Ausgaben bei sinkenden Einnahmen, sprengen auf Dauer jedes System.
Laut dem Bericht werden die demografieabhängigen Ausgaben für Rente, Gesundheit, Pflege und Familie im besten Fall von aktuell 27,3 des Bruttoinlandsprodukts auf 30,8 Prozent ansteigen – im schlechtesten Fall könnten sie sich sogar auf 36,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen.
Die Schuldenquote, die aktuell bei 63 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt, werde sich bis 2070 im günstigsten Fall ohne das Einleiten von Gegenmaßnahmen mehr als verdoppeln und bei 140 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu liegen kommen. Im ungünstigsten Fall werde sie gar auf 345 Prozent ansteigen.
Und bei all dem sind die Ausgaben, die durch die im November 2022 beschlossene Neuregelung der Grundsicherung (Stichwort: »Bürgergeld«) vom Staat zu leisten sind, noch gar nicht inkludiert. Denn die Berechnungen reflektieren die gesetzlichen Regelungen, die am 30. Juni 2022 galten.
Mit der Tragfähigkeit der Sozialversicherungen in Deutschland, namentlich der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) und der Gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (ALV), setzt sich auch ein Gutachten auseinander, das die Professoren Stefan Fetzer und Christian Hagist im Auftrag von »Die Familienunternehmer« und »Die Jungen Unternehmer« im Februar 2024 vorgelegt haben. Ihm zufolge ist der Sozialstaat in seiner jetzigen Form – ohne die Einleitung von Reformen – bereits 2030 weder finanzierbar noch reformierbar. Schon heute betrügen die Ausgaben für GRV, GKV, SPV und ALV zusammengenommen beinah 800 Milliarden Euro und überstiegen damit den Bundeshaushalt.[4]
Wie die Autoren in dem Gutachten darlegen, drohten die Beitragsätze der Sozialversicherungen ohne eine Reform »in nicht-nachhaltige Höhen zu steigen, die sich dann selbst verstärken.« Ähnlich wie beim Klimawandel würde bereits 2030 »ein Kipppunkt überschritten, ab dem die Steigerung der Beitragssätze nicht mehr gebremst werden kann.« Dabei würde die »junge Generation den Generationenvertrag in den Sozialversicherungen einseitig aufkündigen, und zwar durch eine ›Abstimmung mit Füßen‹.«
Und die sähe in Praxis so aus …
Vermeidung der Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Arbeit; stattdessen Anstieg der #Schwarzarbeit
Abwanderung vor allem gut ausgebildeter Fachkräfte, die ihre Arbeitskraft dann auf ausländischen Märkten anböten
Sinkende Attraktivität des Standorts Deutschland für Einwanderer, die sich dann ebenfalls für andere Länder entschieden.
Mit anderen Worten: Eine Erhöhung der Beitragssätze würde genau die Gruppe der Beitragszahler aus dem Land treiben, die benötigt werden, »um die umlagefinanzierten Sozialversicherungssysteme am Laufen zu halten«.
Damit nicht genug: Berücksichtigt man den dramatischen Einbruch der globalen Fruchtbarkeit, den eine in der medizinischen Fachzeitschrift »The Lancet« kürzlich veröffentliche Studie prognostiziert, ist davon auszugehen, dass sich der Wettbewerb um gut ausbildete #Einwanderer künftig weiter verschärfen wird. Danach hat sich die globale Fruchtbarkeit zwischen 1950 und 2021 mehr als halbiert. 2021 lag die Geburtenrate nur noch in 94 Ländern der Welt über der bestandserhaltenden Schwelle von 2,1 Kindern pro Frau. Unter ihnen befinden sich 44 der 46 afrikanischen Länder südlich der #Sahara. Für die Zukunft prognostizieren die Forscher des »Institute for Health Metrics and Evalution« (IHME) der University of Washington in Seattle, einen weiteren weltweiten Niedergang der Fruchtbarkeit. Danach werden im Jahr 2100 weltweit nur noch 6 Staaten – #Samoa, #Tonga, #Somalia, #Niger, #Tschad, #Tadschikistan – über der Marke von 2,1 Kindern pro Frau liegen. Die niedrigsten Geburtenraten erwarten die Forscher laut ihrer von der »Bill & Melinda Gates Foundation« finanzierten Studie für #Südkorea und #Puerto #Rico, #Bhutan und die #Malediven.
Wie die Autoren schreiben, werde die globale Fruchtbarkeitsrate in Zukunft weltweit weiter sinken und selbst bei erfolgreicher Umsetzung geburtenfördernder Maßnahmen niedrig bleiben. Diese Veränderungen hätten weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen, da die Bevölkerung in den Ländern mit höherem Einkommen altere und die Zahl der Arbeitskräfte abnähme, während der Anteil der Lebendgeburten in den ohnehin schon ärmsten Regionen der Welt zunähme. Mehr …