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Der Sprech, sprechen, verstehen und begreifen
Gütersloh, 29. September 2023
Die deutsche Sprache gilt als diejenige, die am meisten kann. Vor allem uns. Denn sie können wir am besten sprechen und verstehen. Aber aus der Sicht anderer Leute auf der Welt gilt das für ihre eigene Sprache wohl auch. Das lässt sich ganz einfach beispielsweise daran festmachen, dass und wie sich manch andere über unsere Sprache lustigmachen und wie wir dasselbe tun. Manchen anderen gilt das Deutsch als übertrieben (und albern) herrisch und geradezu lächerlich dominant, dabei gleichzeitig unterwürfig und duckmäuserisch. Andere Sprachen haben andere Eigenschaften.
In #England und #Frankreich macht man sich über das #Deutsche lustig, in dem man es parodiert – das sieht dann so aus: »Jawohl! Zack zack! Zu Befehl!« Unvergessen sind vor allem die Parodisten und Komiker wie Louis de Funès und Charlie Chaplin. Etwa die Filmszene, in der Louis Herrn Dr. Müller das Geheimrezept für sein #Kartoffelsoufflé verrät: »Mitgekommen, Herr Doktor Müller? Ich wiederhole. Ein reichliches Kilogramm Kartoffeln. Einen Liter Milch. Drei Landeier. 69 Gramm Butter. Salz, und … und … Muskatnuss! #Muskatnuss, Herr Müller! Signor Riganti? Herr Kommissar? Haben Sie verstanden, Herr Müller? Auf Wiedersehen, Herr Müller!« Und natürlich die Rede von Anton Hinkel: »Eder Strabnitz hüppensett! Der Wiener Schnitzel mit de Lavignetten und de Sauerkraut! In Tomania wir sei straff. Mit der straffen! Sie straffen!! Sie straffen!!!« Sogar die Mikrofone haben Angst und beugen sich buchstäblich vorm Großen Diktator.
Uns hingegen gilt etwa das Italienisch als opernhaft, schmierig, hinterlistig, das Französisch als blumig, süffisant und lebensartig, das Russisch als pauschal hochkriminell, das Chinesisch als lächerlich ameisenhaft, das Japanisch mal als so wie Funès und Chaplin das Deutsch, mal als so wie das Chinesisch. Das Britische Englisch gilt uns eher als geradezu snobistisch herablassend, teilweise manieriert, das Amerikanische Englisch bringen wir mit Show und Cowboys in Verbindung. All diese Wahrnehmungen sind dabei von der Moderne geprägt. Und tatsächlich reicht unser aller Geschichtsbewusstsein – wenn überhaupt – auch nicht viel weiter zurück. Zum Altgriechisch haben wir mangels multimedialer Überlieferung keine großartige Meinung, auch wenn vor allem die wissenschaftliche Nomenklatur davon geprägt ist (wie auch vom Lateinischen), während die Nomenklatur der Finanzwelt vom modernen Italienisch geprägt ist.
Die #Sprache einer #Sprachgruppe ist von ihrer #Geschichte geprägt und prägt sie ihrerseits selbst. Manche Dinge können in manchen Sprachen gar nicht gesagt und von anderen gar nicht oder nur im Ansatz verstanden werden. Das Englische ist dem Deutschen teilweise sogar überlegen. In manchen Sprachen gibt es für Wörter anderer Sprachen überhaupt keine Übersetzungen – man kann sie sich teils noch nicht einmal vorstellen. Wenn etwa Eskimos zahlreiche Adjektive kennen, um die Eigenschaften von Schnee zu beschreiben, oder südamerikanische Dschungelstämme zahlreiche Varianten der Farbe #Grün kennen.
Es gibt Leute, die der Meinung sind, nur das Deutsch könne manche Begriffe nicht nur semantisch fassen, sondern geradezu auch lautmalerisch. Diese Meinung dürfte allerdings einer gewissen Fantasielosigkeit geschuldet sein, denn das gilt für andere Sprachen genauso. Und eine fremde Sprache wird man niemals so sprechen und begreifen können, wie die eigene (zunehmend gilt das leider sogar auch für die eigene). Beispielsweise lassen sich viele englische Wendungen nur unvollständig oder gar nicht ins Deutsche übersetzen, sie lassen sich sprachlich kaum oder gar nicht fassen. »To be, or not to be« mit »Sein oder Nichtsein« zu übersetzen, trifft es halbwegs, aber nicht ganz. Der deutsche Spruch hat nicht dieselbe Tragweite, Tiefe und ist nicht einmal ansatzweise so brachial. Das gilt beispielsweise auch für die buddhistische Weisheit »What is, is, what is not, is not«. Das lässt sich in seiner Klarheit und Tragweite nicht ins Deutsche übersetzen. Ganz deutlich wird die Unmöglichkeit manches zu übersetzen beispielsweise auch bei dem Wortspiel »Doctor House« in der großartigen, amerikanischen Serie »House M. D.« beziehungsweise »House« mit Hugh Laurie (ausgerechnet einem Engländer). In den #USA macht man sich über manche #Schauspieler lustig, indem man behauptet, sie würden lediglich so tun, als würden sie einen britischen Akzent nachmachen (nicht ihn haben!) – eine doppelte, zweite Ebene der Manieriertheit sozusagen. Das alles gilt nur für die »sichtbare« (besser »hörbare«) Sprache anderer. Wie etwa »das Volk« in England spricht, bekommen wir hierzulande kaum mit. Unser Schulenglisch spricht es jedenfalls meist nicht – es versteht es kaum (beiderseits). Während für unser Schulenglisch »Bottle of water« leicht verständlich und klar ist, sagen manche Engländer eher so etwas wie »Bo o’ wo’a«. Das Phänomen, dass wir mit unserem Hochdeutsch manches abseitige Plattdeutsch praktisch gar nicht verstehen, gibt es auch anderswo auf der Welt. Am bekanntesten ist dabei wohl die Szene in dem erstklassigen Film »Hot Fuzz« mit Simon Pegg, als er als Polizist aus der Großstadt auf dem Land ein Weltkriegswaffenlager eines Bauern aushebt und kein Wort von dem versteht, was dieser sagt.
Peinlich ist es bekanntlich, wenn #Marketingleute versuchen, Produkten mit ausländischen Begriffen ein besonderes Flair zu verleihen, und dabei buchstäblich ins Klo greifen. Am bekanntesten dürfte dabei der Nissan Pajero sein. Das klingt nach Abenteuer, nach Outdoor – perfekt für einen Geländewagen. Dumm nur, dass »Pajero« auf spanisch soviel wie »Wichser« heißt. Und wer weiß, welche Begriffe ähnlicher Natur wir nutzen, ohne es zu wissen – und aus Höflichkeit sagt es uns niemand. Am bekanntesten dürfte unser Pseudoanglizismus »Handy« sein. Auf englisch ist »handy« ein Adjektiv mit einer völlig anderen Bedeutung – ein Mobiltelefon heißt dort eher »Cellphone«, »Mobile Phone« oder schlicht »Mobile«. Und sogar zwischen England und Amerika gibt es solche Probleme. Die Motorhaube heißt in England »Bonnet«, in den USA »Hood«. »Lift« heißt entweder »Fahrstuhl« oder »Mitfahrgelegenheit«. »Flat« kann »Plattfuß« (beim Reifen) oder soviel wie »Bungalow« heißen. Und viele weitere solcher sprachlichen Auffälligkeiten kennen wir gar nicht und werden sie nie kennenlernen.
All das zeigt, dass man sehr vorsichtig sein muss. Man versteht vielleicht, was andere sagen, aber das heißt noch lange nicht, dass man es auch begreift. Viele Bezeichnungen sind klischeehaft geprägt (wie etwa der bekannte Begriff »Krauts«). Und wie oben erwähnt, versteht man manche Gags nicht unbedingt – etwa »Herman The German«. Nein, Hermann, der Cherusker, ist nicht der Gag. Zumal er von den Römern »Arminius« genannt wurde. Wie er wirklich hieß, ist womöglich gar nicht bekannt. Ebensowenig, wie die eigentlichen Namen mancher Sesamstraßenfiguren (samt unübersetzbaren Sprachwitzen) und teilweise geradezu kritischen Übersetzungen ins Deutsche (»Schlemihl« – ein jiddisches Wort – im Original »Lefty«, »Count Count« – auf deutsch »Graf Zahl« – auch witzig, aber nicht so witzig, wie das Original, »Bibo« – im Original schlicht »Big Bird«, »Guy Smiley« – auf Deutsch »Robert«). »Fraggle« und »Muppet« sind in England Schimpfwörter (»Kleine Witzfigur«).
Manche Fehlübersetzungen ignoriert man im anderen Land, begegnet ihnen mit einem Lächeln, oder ist beleidigt. Je nachdem.