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Ausgestorbene Geschäftsmodelle: der Ungefragte Fotograf, Ephraim Kishon am Strand, die Geschäftstaktik
Gütersloh, 26. März 2023
Spätestens in den 60ern kamen findige Fotografen auf eine neue Geschäftsidee: Sie haben ungefragt Leute fotografiert, ob an touristischen Brennpunkten, auf Events oder etwa in Freizeitparks, und ihnen dann die Möglichkeit geboten, die Fotos zu kaufen. In Freizeitparks kannte man das etwa so, dass in der Nähe des Ausgangs zahllose Fotos ausgestellt wurden – Susi in der Achterbahn, Klaus in der Geisterbahn, Klein Karl mit Zuckerwatte, Mariechen mit Micky Maus. Natürlich als Papierabzüge. Die Bilder wurden wahrscheinlich nach der Schließung entsorgt oder verbrannt.
Heute wäre so etwas schwer vorstellbar: Datenschutz. Das Totschlagargument für fast alles. Und das Recht am eigenen Bild. Zumal heute jeder sein eigener Ungefragter Fotograf ist – mit seinem Smartphone. Und Papierabzüge will ohnehin niemand mehr haben, lieber speichert man zehntausende von Fotos »digital«. Das ist ungeheuer wichtig. Nicht die Fotos an sich, sondern die Gewissheit, dass es sie gibt.
Noch in den 80ern konnte es einem passieren, dass man Paris besuchte, den Eiffelturm besichtigte, und Tage später zufällig in einer Seitengasse im Schaufenster eines Fotoladens ein Foto von sich sah, das man dann kaufen konnte. So ein Vorgehen würde heute wohl Tobsuchtsanfälle, Drohungen und Rechtsstreits auslösen. Wichtigtuerei ist zunehmend en vogue.
Der große Ephraim Kishon hat einst eine witzige Kurzgeschichte dazu geschrieben. Er ist am Strand und wird von einem solchen Ungefragten Fotografen belästigt und entkommt ihm nicht. Der Fotograf preist ihm mit kühnsten und blumigsten Worten ein Portrait von ihm an. »9 mal 13, matt! 5 Shekel!« … »Ich will kein Foto von mir! Danke!« … »Ihr Profil im Gegenlicht, der Herr! Das ist künstlerisch wertvoll! 13 mal 18, glänzend, 12 Shekel!« … »Lassen Sie mich in Ruhe!« … er legt sich auf sein Handtuch, legt eine aufgeschlagene Zeitung übers Gesicht, spürt aber, dass der Fotograf lauert. Nach einer Weile beruhigt er sich, und wagt einen Blick. »Klick!« … »Verdammt! Sie sollen mich nicht fotografieren!« … »Dieser überraschte Ausdruck, der Herr! Wie ein Gemälde! 9 mal 11 Zentimeter! Leinenstruktur, 14 Shekel!« … »Ich verbitte mir das!«
So geht das eine ganze Weile, irgendwann verschwindet der Fotograf. Später am Abend fällt ihm (Kishon) ein, dass er vielleicht doch gerne ein Portrait von sich hätte. Für zu Hause, für seine Frau (die beste Ehefrau von allen). Und er sucht den Fotografen in seinem Atelier auf: »Guten Tag. Sie erinnern sich? Ich hätte jetzt doch gerne eines der Fotos gekauft, die Sie gemacht haben!« … »Tut mir Leid. Wer sind sie?« … »Sie haben mich doch den ganzen Tag am Strand verfolgt und zahlreiche Fotos von mir gemacht!« … »Oh. Wissen Sie, ich hatte gar keinen Film in der Kamera. Das ist nur eine Taktik von mir, um die Leute zu mir ins Atelier zu locken. Möchten Sie, dass ich ein Portrait von Ihnen mache?«