Krebszellen umgeben sich mit einer Wolke aus Adenosin und hemmen dadurch das Immunsystem (links). Abbildung: Laura Schäkel, Uni Bonn, erstellt mit Bio Render, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Wirkstoff macht Waffe von #Krebszellen unschädlich, Rheinische Friedrich Wilhelms Universität Bonn
Viele #Tumorzellen nebeln sich mit einem schützenden Parfum ein, das das Immunsystem außer Gefecht setzt. Doch ein bereits zu anderen Zwecken zugelassenes Medikament kann diese Waffe offensichtlich unschädlich machen. Das zeigt eine Studie der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, die jetzt im »Journal for Immuno Therapy of Cancer« erschienen ist. Die Forschenden wollen die Verbindung nun weiter optimieren. Mittelfristig könnte das den Weg zu neuen #Pharmaka gegen Krebs bahnen.
Viele Krebszellen umgeben sich mit einer dichten Wolke aus #Adenosin. Das Molekül unterdrückt einerseits das Immunsystem. Gleichzeitig kurbelt es die Neubildung von Blutgefäßen an, über die sich der Tumor mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Zudem sorgt es dafür, dass die malignen Zellen in andere Organe einwandern und dort Metastasen bilden.
Hergestellt wird das Adenosin aus Adenosin Triphosphat, abgekürzt ATP. Tumorzellen schütten großen Mengen davon aus. Auf ihrer Oberfläche tragen sie verschiedene Enzyme, die das ATP dann in mehreren Schritten zu Adenosin umwandeln. Eines davon ist das sogenannte CD39. »Es katalysiert den ersten der Umwandlungsschritte«, erklärt Prof. Dr. Christa Müller vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn. »Wird CD39 gehemmt, entsteht kaum mehr Adenosin.«
Rund um den Globus fahndet die Pharmaforschung daher nach einem Wirkstoff, der CD39 ausbremst. Denn ohne Adenosin wären Tumoren nicht mehr vor dem Immunsystem geschützt. »Stattdessen würde sich ATP um die Krebszellen anhäufen, welches die Immunantwort sogar noch stimuliert«, sagt Müller. »Die körpereigene Abwehr würde also nicht unterdrückt, sondern im Gegenteil noch extra scharf geschaltet.«
50 zugelassene Wirkstoffe unter die Lupe genommen
Bislang verlief die Suche weitgehend erfolglos. Die Bonner Arbeitsgruppe hat in der Studie daher eine neue Fahndungsstrategie verfolgt: »Es gibt im Körper noch andere Enzyme als CD39, die ebenfalls ATP verarbeiten«, erläutert Laura Schäkel. Die Mitarbeiterin von Prof. Müller hat viele der zentralen Experimente der Studie durchgeführt. »Dazu zählen etwa die sogenannten Proteinkinasen. Das Schöne daran: Es existieren bereits zugelassene Medikamente, die Proteinkinasen hemmen. Wir haben uns nun angeschaut, ob sie auch gegen CD39 wirken.«
Zu Beginn der Studie gab es insgesamt 50 verschiedene Wirkstoffe, die für die Hemmung von Proteinkinasen bei bestimmten Erkrankungen zugelassen waren. Die Arbeitsgruppe untersuchte sämtliche von ihnen. Mit Erfolg: »Eine der Substanzen, das Ceritinib, blockiert auch die Umsetzung von ATP durch CD39«, freut sich Schäkel. »Das konnten wir nicht nur im Reagenzglas zeigen, sondern auch in Kulturen mit sogenannten dreifach-negativen Brustkrebszellen. Diese sind extrem schwer zu behandeln – sie sprechen normalerweise kaum auf Therapien an.«
Dennoch hält Christa Müller es nicht für sinnvoll, bei bestimmten Krebserkrankungen einfach Ceritinib als CD39 Hemmstoff zu verabreichen. »Der Wirkstoff richtet sich ja primär gegen eine andere Gruppe von Enzymen; er hätte daher unerwünschte Nebenwirkungen«, sagt sie. »Wir wollen ihn nun so modifizieren, dass er Proteinkinasen kaum noch hemmt und stattdessen CD39 noch stärker ausbremst.«
Einsatz nur bei Betroffenen, bei denen es sich lohnt
Ein derart optimierter Wirkstoff ließe sich auch mit anderen Therapeutika kombinieren. »Durch klassische Cytostatika wird das Immunsystem in der Regel massiv geschwächt; CD39-Blocker würden es dagegen aktivieren«, sagt Prof. Müller, die auch Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) »Bausteine der Materie« und »Leben und Gesundheit« ist. »In Kombination könnten die Medikamente daher womöglich eine deutlich größere Wirkung entfalten.«
Vor dem Einsatz könnte man zudem zunächst messen, ob die Krebszellen der Betroffenen tatsächlich viel CD39 auf ihrer Oberfläche tragen. »Denn nur dann wäre die Behandlung mit CD39-Inhibitoren sinnvoll«, sagt Müller. »Man würde die Gabe also individuell auf die Patientinnen und Patienten abstimmen. Diese Personalisierung von Therapien zum Zwecke der Effizienzsteigerung bekommt in der Medizin einen immer höheren Stellenwert.«
Beteiligte Institutionen und Förderung
An der Studie waren die Universität Bonn, das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf und die Université Laval in Quebec (Kanada) beteiligt. Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada (NSERC) gefördert.