Nordrhein-Westfalens Denkmäler sind in Gefahr. Foto: Roland Rossner, Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Geplante Novelle des Denkmalschutzgesetzes schwächt Forschung und Lehre in NRW
Münster (WHB) Das geplante neue Denkmalschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen steht seit Monaten in der Kritik. Nun diskutierten auch die Hochschulprofessorinnen und -professoren des Landes, die sich fachlich mit Denkmälern und Denkmalpflege beschäftigen und sich dem Denkmalschutz Bündnis NRW angeschlossen haben, über die Folgen der Gesetzesnovelle. Sie sehen den Hochschulstandort NRW gefährdet und lehnen die Neufassung des Denkmalschutzgesetzes ab.
Unter dem Titel »Denkmalschutz in Forschung und Lehre. Warum die Wissenschaft gegen das neue Denkmalschutzgesetz NRW ist« fand am 30. März 2022 an der Universität Münster eine Podiumsdiskussion statt, zu der Prof. Dr. Jens Niebaum (Universität Münster) und Prof. Dr. Wolfgang Sonne (TU Dortmund) eingeladen hatten und zu der Bürgermeisterin Maria Winkel von der Stadt Münster ein Grußwort sprach. In der Diskussion wurde deutlich, dass die Novelle des Denkmalschutzgesetzes, deren dritter Entwurf am 6. April 2022 zur Abstimmung steht, an den Hochschulen des Landes auf breite Ablehnung stößt.
Als besonders kritisch wurde dabei die im Gesetz vorgesehene starke Schwächung der bei den Landschaftsverbänden angesiedelten Denkmalfachämter mit deren Expertise und wissenschaftlichen Netzwerken eingestuft. So wies Prof. Dr. Eva von Engelberg (Universität Siegen) darauf hin, dass die Unteren Denkmalbehörden, deren Position gegenüber den Fachämtern der Gesetzentwurf stärkt, mit dieser Stärkung personell wie fachlich in aller Regel überfordert seien. Zudem wies sie auf das Problem der Weisungsgebundenheit der Mitarbeitenden hin, die eine Berücksichtigung denkmalpflegerischer Belange ohne die verbindliche Mitwirkung der unabhängigen Fachämter deutlich erschweren werde.
Ein weiterer Kritikpunkt der Anwesenden galt den geplanten Sonderrechten der Kirchen, denen ermöglicht werden soll, sich leichter von aktuell nicht mehr benötigten Kirchenbauten – es handelt sich hauptsächliche um solche der Zeit nach 1945 – zu trennen und diese gegebenenfalls abreißen zu lassen. Demgegenüber hob Prof. Dr. Stefanie Lieb (Kath. Akademie Schwerte/Universität zu Köln) hervor, dass Nordrhein-Westfalen den größten und bedeutendsten Bestand an Nachkriegskirchen in Europa aufweise, und warb nachdrücklich dafür, in engem Zusammenwirken von kirchlicher und staatlicher Denkmalpflege unter Einbeziehung der Fachämter für ihren Schutz einzutreten.
Prof. Dr. Wolfgang Sonne richtete sich mit Nachdruck gegen die Einbeziehung von aktueller politischer Agenda geprägter, aber sachfremder Belange in das Denkmalschutzgesetz selbst. In einem Gedankenspiel illustrierte er sehr eindrücklich die Gefahren, die von einem vergleichbar tagespolitisch orientierten Gesetz in den 1960er-Jahren mit dem damaligen Ideal der autogerechten Stadt für viele Denkmäler ausgegangen wären. Insbesondere sei es abwegig, den per se nachhaltigen Denkmalschutz gegen Nachhaltigkeitsbelange auszuspielen.
Dr. Oliver Karnau (LWL-Denkmalpflege und Lehrbeauftragter für Denkmalpflege in Münster und Dortmund) hob zum einen die Bedeutung der Denkmalpflege als vielschichtiges und herausforderndes Berufsfeld für Studierende der Kunstgeschichte, der Architektur und verschiedener anderer Fächer hervor und wies zum anderen auf die Notwendigkeit enger Verzahnung der unterschiedlichen Expertisen an Fachämtern und Hochschulen hin. Dabei betonte er, dass diese vielfach auf die Fachlichkeit der Denkmalämter angewiesen seien, um ihrem Forschungsauftrag nachkommen zu können. Dieser Punkt wurde auch von Prof. Dr. Jens Niebaum unterstrichen, der die Schlüsselrolle gut ausgebildeter und praxiserfahrener Denkmalpfleger hervorhob, um die Denkmäler in ihrer vollen Evidenz zu bewahren und der Forschung zugänglich zu machen. Überdies wies er auf die Bedeutung der Denkmalpflege für das Prinzip forschenden bzw. forschungsnahen Lernens hin, das an den Hochschulen eine zunehmend große Rolle spiele, und machte deutlich, dass das Zurückdrängen von Fachlichkeit im Denkmalschutz auch insofern eine Schwächung der universitären Lehre bedeute.
Prof. Dr. Barbara Welzel (TU Dortmund) schließlich betonte mit Nachdruck die zentrale politische und gesellschaftliche Bedeutung von Denkmälern: ihre Sperrigkeit, mit der sie sich Vereindeutigungsversuchen von Geschichte entgegenstellen, sowie ihre zentrale Rolle als Ressource gesellschaftlicher Zugehörigkeit und Identität. Eindringlich rief sie dazu auf, Denkmalschutz als Sicherung der Unverfügbarkeit von Geschichte gegenüber Ansprüchen der Gegenwart aufrechtzuerhalten, und kritisierte in diesem Zusammenhang deutlich die im Gesetzesentwurf geplante Streichung der Rechtsobjektivität von Denkmälern. Auch nahm sie die Kirchen mit ihrer Verantwortung als, so Welzel, wichtigste Überlieferungsträger in Europa besonders in die Pflicht und sprach sich klar gegen die geplanten Sonderregelungen für Kirchen und Religionsgemeinschaften aus.
Die Veranstaltung wurde von ca. 65 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter zahlreichen Studierenden als Vertretern der Nachfolgegeneration, besucht, die teilweise digital zugeschaltet, in der Mehrheit jedoch in Präsenz anwesend waren. Die Statements der Podiumsmitglieder wurden eingehend diskutiert und um weitere Aspekte ergänzt, etwa ein Plädoyer, die Qualität der Entscheidungsfindung nicht dem Ziel einer eindimensionalen Beschleunigung von Verfahren zu opfern, sowie die nachdrückliche Betonung des ökologischen Nutzens von Denkmalschutz. Alle Diskutierenden waren sich einig, dass die geplante Novelle des Denkmalschutzgesetzes nicht nur erhebliche Gefahren für die nordrhein-westfälische Denkmallandschaft bedeute, sondern dass auch eine Schwächung von Forschung und Lehre in NRW drohe.