Gert Loschütz. Foto: Bogenberger, autorenfotos.com, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
Der von der #Stadt #Braunschweig und dem »#Deutschlandfunk« gestiftete und mit 30.000 Euro dotierte Wilhelm-Raabe-Literaturpreis geht in diesem Jahr an Gert Loschütz für seinen #Roman »Besichtigung eines Unglücks«, erschienen 2021 im Verlag Schöffling & Co..
Zur Begründung erklärte die Jury: »Was bedeuten schon vier Sekunden? Nichts und doch alles, wie Gert Loschütz‘ Roman ›Besichtigung eines Unglücks‹ mit literarischer Meisterschaft zeigt. Auf fast 120 Seiten rekonstruiert der Erzähler Thomas Vandersee eines der schwersten Zugunglücke, die sich je in Deutschland ereignet haben, um dann noch ganz andere Geschichten Fahrt aufnehmen zu lassen, um Schicksale zu beleuchten, die von den Katastrophen des 20. Jahrhunderts bestimmt wurden. Als in der eisigen Nacht vom 21. auf den 22. Dezember 1939, drei Monate nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, im Bahnhof der sachsen-anhaltischen ‚Kanalstadt‘ Genthin zwei D-Züge ineinanderrasten, rührte dieses epochale Verhängnis nicht nur kausal an die Umstände des beginnenden Krieges, sondern kann auch als seine Allegorie gelesen werden. Auch wenn der spröde, immer faktenorientierte Erzählstil symbolische Lesarten an keiner Stelle fördert.
Gerade die sachlich konkrete aktengenaue Manier dieser Romanprosa gibt dem Entsetzen eine angemessene Form, wie später auch der Tragik einer ergreifenden Liebesgeschichte, die in das besichtigte Unglück eingebettet ist. Alle technischen und dramaturgischen Mittel des Romans sind wiederum Teile eines epischen Diskurses über die prägende Macht des Zufalls und die Gleichzeitigkeit, große Geschichte prägend und das Leben und die Liebe einzelner Menschen.
Mit seinem Erzähler Thomas Vandersee, einem freien Kulturjournalisten, teilt Gert Loschütz den Geburtsort Genthin. Je tiefer der Rechercheur in die Geschichte des Unfalls eindringt, desto näher kommt er seiner eigenen Lebensgeschichte bis hin zum Moment der Abfassung des Romans selbst. Ein hochkomplexes Kunststück, das sich als empirisch getragener faktischer Bericht tarnt.
›Besichtigung eines Unglücks‹ entwickelte Gert Loschütz aus einem gleichnamigen Hörspiel. 19 #Hörspiele, 17 #Bücher sowie diverse #Fernsehspiele umfasst sein Werk, für das ›Besichtigung eines Unglücks‹ einen grandiosen Höhepunkt markiert. Lautlos, wo verzweifeltes Schreien ertönt. Schwarzweiß, wo die Welt in Flammen steht. Langsam, wo die Welt aus den Gleisen springt. So erkennt man sie.«
Der Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig, Ulrich Markurth, und Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue stimmten dem Vorschlag der Jury zu. Die Jury des Wilhelm Raabe-Literaturpreises, die am 27. September tagte, setzt sich in diesem Jahr zusammen aus Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel (Präsident der »Internationalen Raabe-Gesellschaft«), Katrin Hillgruber (freie Literaturkritikerin), Alexander Cammann (»Die #Zeit«), Thomas Geiger (»Literarisches Colloquium Berlin«), Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), Dr. Michael Schmitt (»#3sat«), Prof. Dr. Julia Schöll (Germanistisches Institut, #TU Braunschweig), Katharina Teutsch (unter anderem »#FAZ« und »Zeit«) und Dr. Hubert Winkels (»Deutschlandfunk«).
Mit der Verleihung dieses Preises zeichnen die Stadt Braunschweig und Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes erzählerisches Werk aus. Mit der Auszeichnung soll exemplarisch das bis zum Zeitpunkt der Preisverleihung publizierte literarische Schaffen gewürdigt werden. Das Preisbuch muss im laufenden Kalenderjahr der jeweils aktuellen Vergabe erschienen sein.
Die Preisverleihung findet am Samstag, 27. November 2021, von 20.05 Uhr bis 22. Uhr im Rahmen des »Studio LCB« im »Deutschlandfunk« statt.
Zu den bisherigen Preisträgerinnen und Preisträgern gehören Rainald Goetz, Jochen Missfeldt, Ralf Rothmann, Wolf Haas, Katja Lange-Müller, Andreas Maier, Sibylle Lewitscharoff, Christian Kracht, Marion Poschmann, Thomas Hettche, Clemens J. Setz, Heinz Strunk, Petra Morsbach, Judith Schalansky, Norbert Scheuer und Christine Wunnicke.