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Wie Anpassungen Tumorbehandlungen erschweren können
Ein Tumor besteht aus zahlreichen Zelltypen mit verschiedenen Eigenschaften. Die Unterschiede zwischen einzelnen Krebszellen bestimmen die Entwicklung der Krankheit, aber auch die Wirkung von zielgerichteten Therapien. Einem Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist es nun gelungen, die Lebenswege von Darmkrebszellen nachzuverfolgen. Dabei konnten die Forschenden beobachten, wie die einzelnen Zellen auf eine Therapie reagieren und mitunter nach der Behandlung einen resistenten Zustand annehmen. Wie sie im Fachmagazin »EMBO Molecular Medicine« beschreiben, lassen sich auf diese Weise Schwachstellen heutiger Behandlungsmethoden erkennen und zukünftig verbessern.
Die Technik der Einzelzellsequenzierung erlaubt es, die Aktivität einzelner Gene parallel in mehreren Tausend Zellen zu untersuchen. Tumorzellen treten in Subpopulationen mit unterschiedlichen Eigenschaften auf, die sich ihren Umweltbedingungen fortlaufend anpassen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Privatdozent Dr. Markus Morkel und Prof. Dr. Nils Blüthgen am Institut für Pathologie der Charité haben die Einzelzellsequenzierung nun angewandt, um die Heterogenität im Tumorgewebe genau zu untersuchen und so ein detailliertes Bild der Entwicklung von Darmkrebs zu gewinnen.
Zunächst haben die Forschenden Zellen im Darmkrebsgewebe mit denen im gesunden Darm verglichen. Insgesamt konnten sie Daten zu mehr als 100.000 einzelnen Zellen erheben und so Zellgruppen und ihre Eigenschaften über Patientengrenzen hinweg genau definieren. Herkömmliche Sequenzierungsmethoden liefern nur eine Momentaufnahme der Genaktivität in den Zellen. Um die dynamischen Veränderungen dieser Zellen im Gewebeverband nachzuvollziehen, legte das Forschungsteam dreidimensionale Darmkrebs-Zellkulturen an, wie Privatdozent Dr. Morkel erklärt: »Mit diesen sogenannten Organoiden konnten wir den Lebensweg der Zellen nachzeichnen. Hierfür wendeten wir einen experimentellen Kunstgriff an, bei dem die RNA zu einem bestimmten Zeitpunkt speziell markiert wird. So lässt sich nicht nur der jeweils aktuelle Zustand jeder Zelle bestimmen, sondern auch, wie die Genaktivität wenige Stunden zuvor ausgesehen hat.« Das Forschungsteam untersuchte daraufhin, wie sich die Tumorzellen dieser Organoide an klinisch bedeutsame Therapien mit zielgerichteten Inhibitoren anpassen. Auf diese Behandlung reagierten nicht alle Darmkrebszellen gleichermaßen. Während manche Zellen durch die Therapie ausgelöscht wurden, gelangten andere quasi auf die schiefe Bahn: Sie bogen auf ihrem Lebensweg ab, um einen neuartigen Zustand anzunehmen, der sie resistent gegenüber der vorangegangenen Behandlung macht.
»Solche Einzelzelluntersuchungen an Tumormaterial sind eine große logistische und technische Herausforderung, bei der viele Personen und Einrichtungen – von der Chirurgie bis zu Datenbankexperten – zusammenarbeiten«, erläutert Privatdozent Dr. Morkel, der auch das Bioportal Single Cells des Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité betreut. Die Core Facility soll es ermöglichen, Einzelzelltechnologien schnell und effizient in der patientennahen translationalen Forschung zu nutzen. Eine der Herausforderungen: »Es entstehen sehr große Datenmengen, wenn wir die Aktivität von Tausenden Genen in Hunderttausenden Zellen messen«, sagt Prof. Blüthgen, der auch am Integrative Research Institute (IRI) Life Sciences der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) forscht. »Insbesondere die Fortschritte im Bereich des maschinellen Lernens erlauben uns nun, diese Daten effizient zu analysieren, um die wesentlichen Prozesse in den Zellen zum Wohle künftiger Patienten besser zu verstehen.« Einzelzelluntersuchungen, maschinelles Lernen und patientenspezifische Zellkulturmodelle sollen zukünftig eine Schlüsselrolle in der Erforschung neuer Therapiemöglichkeiten für Krebserkrankungen an der Charité spielen.
Uhlitz F et al. Mitogen-activated protein kinase activity drives cell trajectories in colorectal cancer. EMBO Mol Med (2021), DOI: 10.15252/emmm.202114123