Fleisch als Ramschware: Unter den Billigpreisen für Schwein, Rind und Geflügel leiden nicht nur die Tiere. Auch die Beschäftigten in der Fleischbranche arbeiten zu prekären Bedingungen, kritisiert die NGG. Foto: NGG, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen, für Pressemeldungen ist der Herausgeber verantwortlich, die Quelle ist der Herausgeber
13.000 Beschäftigte in der Schlachtung und Fleischverarbeitung
Billig-Fleisch in der Kritik: Unter den Dumpingpreisen für Schwein, Rind und Geflügel leiden nicht nur die Tiere. Auch die Beschäftigten in der Fleischbranche haben immer häufiger mit prekären Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Davor warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Bielefeld-Herford. Allein im Kreis Gütersloh sind nach Angaben der Arbeitsagentur rund 13.000 Menschen in der Schlachtung und Fleischverarbeitung beschäftigt.
Die Gewerkschaft verweist hierbei auf die Ergebnisse von Schwerpunktkontrollen, die das Land Nordrhein-Westfalen im Oktober 2019 in der Branche durchgeführt hat. Die Beamten des Zolls und der Arbeitsschutzbehörden hatten die Arbeitsbedingungen von landesweit 17.000 Beschäftigten der Fleischindustrie unter die Lupe genommen. Laut NRW-Arbeitsministerium wurden in 85 Prozent der geprüften Betriebe teils gravierende Verstöße festgestellt – vom fehlenden Arbeitsschutz bis hin zu extremen Arbeitszeiten.
»Unter den katastrophalen Arbeitsbedingungen leiden besonders oft Beschäftigte aus osteuropäischen Ländern wie Bulgarien oder Rumänien. Sie werden mit dem Versprechen guter Löhne gelockt – und hier dann regelrecht ausgebeutet«, sagt Gaby Böhm. Die Geschäftsführerin der NGG Bielefeld-Herford berichtet von gefälschten Stundenzetteln, um unbezahlte Überstunden zu vertuschen, von zugestellten Notausgängen und Unterkühlung in der Fleischzerlegung. »Hinzu kommt, dass vielen Beschäftigten auch noch ein Großteil des Lohns für eine maßlos überteuerte Unterkunft und Verpflegung abgezogen wird.«
Eine Hauptursache für diese Zustände liegt nach Ansicht der NGG im System der Werkverträge. Dabei wird der Mitarbeiter für eine bestimmte Tätigkeit, also etwa die Zerlegung einer festen Menge von Rindern, bezahlt. »Hier ist Missbrauch an der Tagesordnung. In allen Firmen, in denen der Zoll gravierende Verstöße entdeckt hat, kamen auch Werkverträge zum Einsatz«, so Böhm. In Betrieben hingegen, die mit mehr Stammpersonal arbeiteten und sich an Tarifverträge hielten, habe es kaum Beanstandungen gegeben.
Die Gewerkschaft NGG ruft die NRW-Fleischindustrie dazu auf, sich zu Tarif- und Sozialstandards zu bekennen. Die Landesregierung müsse die Branche genau im Blick behalten und Schlachthöfe sowie verarbeitende Betriebe regelmäßig kontrollieren. Außerdem solle das Arbeitsministerium eine kostenlose Rechtsberatung für ausländische Beschäftigte anbieten – in ihrer Muttersprache.
»Aber auch die Verbraucher und der Handel sind gefragt. Ein Kilo Hähnchenschenkel für zwei Euro – das geht einfach nicht. Mit solchen Preisen ist keine Arbeit möglich, von der man leben kann. Und erst recht kein Tierwohl«, betont Böhm.